About Lev Silber
Lev Silber (DGPh)
1953 geboren am 1. Dezember in Gorki (Nischni Nowgorod)
1971-77 Studium an der Mathematischen Fakultät der Gorki-Universität
1973-78 Programmierer in einem Rechenzentrum
1978-82 Heizer, Arbeit bei der Lawinenschutzstation in den Bergen von Kirgisien, Funker auf einer Wetterstation im Kaukasus,
1983-85 Pferdepfleger in einer Reitschule für Kinder
1982 im November Aufenthalt in Georgien, danach Beginn der Beschäftigung mit Fotografie
seit 1988 freiberuflicher Fotograf
Seit 1992 waren meine Bilder in ca. 50 Ausstellungen zu sehen, unter anderem in der Katholischen Akademie in Berlin, in der Schweizer Botschaft in Moskau, in der Evangelischen Akademie in Hamburg, in der Stadtbibliothek Osnabrück, im Lew Kopelew Forum in Köln.
Ich lebe seit Dezember 2001 in Osnabrück, Deutschland.
In Februar 2011 hat mich die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh) zum Mitglied berufen.
Autobiographisches
Ich wurde im Dezember des Jahres 53 in der Stadt Nischni Nowgorod geboren. Mein Vater arbeitete als Klempner in einer Fabrik, meine Mutter blieb mit mir zu Hause. Wir hatten ein kleines Haus mit Ofen. Auch ringsum gab es nur diese kleinen Häuser. Im Frühling überschwemmte das Schmelzwasser die Straße bis zu unserem Haus, und ich vertrieb mir die Zeit damit, Larven und Käfer zu fangen, Raupen zu füttern. Hunde, Tauben und Katzen waren meine Freunde, und Hund und Katze haben sich „nicht gestritten“. Ich war das einzige Kind meines Alters in dieser Gegend. Im Einklang mit der Natur und mit mir dachte ich lange, es gäbe nur gute Menschen. Ich wusste nichts von Religionen und Konfessionen. Mein Vater respektierte alle Gläubigen.
Dann kam ich zur Schule. Nach ihrer Beendigung studierte ich an der Mathematischen Fakultät der Universität bis 1977 und arbeitete als Programmierer in einem Rechenzentrum. Im selben Jahr kehrte mein Cousin aus Leningrad zurück, wo er an der Kunstschule studiert hatte. Seine Freundschaft wurde mir sehr wichtig. Er machte mich mit der Dichtung Walt Whitmans, Paul Eluards, Blaise Cendrars bekannt, ich sah Bilder von Chagall, van Gogh, Gauguin. Und in eben diesem Jahr fiel mir Suzukis Buch „Grundladen des Zenbuddhismus“ in die Hand. Da beschloss ich, meine Arbeit als Programmierer aufzugeben und in den Kohlekessel zu gehen. Dort, am Ufer des Flusses, arbeitete ich ein halbes Jahr als Heizer. Diese Arbeit erinnerte mich an die Haiku-Dichtung:
Wie schön,wie wundervoll,
ich schleppe Wasser,
ich trage Feuerholz!
Ich las viel: die Bibel, Bunin, Tolstoi.... Die Abende verbrachte ich allein am Flussufer. Ich war glücklich...
Im Sommer des Jahres 1980 fuhr ich nach Kirgisien auf die Schneelawinenwarnungsstation. In einer Höhe von 3300 Metern gab es eine Überwinterungsstation. Ich war so überwältigt von der mich umgebenden Schönheit der Natur, dass ich mir von meinem ersten Gehalt eine Kamera kaufte. Jenes Licht, das Licht von Schnee, Himmel, Sternen erfüllte mich. Dort in den Bergen spürte ich die natürlichen Rhythmen des Menschenlebens, die nicht von der Natur trennbar sind: Tag und Nacht, den Mond, seinen Wechsel, die Jahreszeiten.
Dies ist mein letztes Haus,
In welchem ich leben werde.
Schnee fünf Fuß hoch...
Kobayashi Issa (1763–1827)
Dort lernte ich begreifen, was mannshoher Schnee ist. Dann ist mein Freund in den Bergen verschollen. Vergeblich suchten wir ihn, und nur durch ein Wunder blieben wir selbst am Leben.... Danach kehrte ich im Herbst 1982 nach Nischni Nowgorod zurück.
Wieder in der Stadt suchte ich das „Licht“ und fühlte es: mal in alten, halbzerfallenen Wänden, mal in einem Kind, mal in einem alten Mann. Bei den Altgläubigen gefielen mir ihre Gesichter in Momenten unserer Gespräche. Die Gesichter verklärten sich. Nur in solchen Momenten habe ich fotografiert. Das ist es, was mich beim Fotografieren bewegt. Ich habe keine Falten in den Gesichtern gesehen, habe nicht gesehen, dass die Hauswände zerfallen waren: ich sehe nur das Licht. Dieses Licht will ich bewahren und weitergeben.
Lev Silber 1992
Spiegel der Lebensfreude
Ausstellung mit Fotos Lev Silbers eröffnet heute die Reihe ,,Kultur - Kultura".
OSNABRÜCK. Der Kölner Karneval, festgehalten In Schwarzweiß-Bildern vom russischen Fotografen Lev Silber, sowie Landschaften und Personenporträts - das sind die Themen einer Ausstellung, die heute im Luther haus eröffnet wird. „Standbilder" ist der Titel der Fotoschau, die die Veranstaltungsreihe „Kultur – Kultura“ begleitet.
Von Tom Bullmann
„Diesen Mann mochte ich", sagt Silber in seiner sanften Art. Sein Blick ruht auf dem Porträt vonPankrati Ermilowitsch, einem 75-jährigen Russen, den Silber in den 90er Jahren in dessen Heimatdorf Pustin irgendwo in der Nähe von Nischni Nowgorod ablichtete. Die Sympathie, die der Fotograf für sein Modell hegte, über trägt sich auf das Porträt, verleiht ihm eine besondere menschliche Ausstrahlung: Unter dem Bart, der fast das ganze Gesicht des Alten verdeckt, scheint sich ein lächeln zu verbergen.
Auch die 59-jährige Irina lichtete Silber in einem besonderen Moment ab. Ihre geschlossenen Augen zeugen nicht von Müdigkeit, sondern von einer gewissen Art Konzentration. „Sie hatte mir gerade von ihrem Vater erzählt, der sich aus den Fängen des KGB befreien konnte", erinnert sich Lev Silber. Die Zufriedenheit über diese positive Wende ihr Leben der Frau liegt wie eine Aura über der Fotografie.
Der Moment der Ruhe ist dem 1953 in Nischni Nowgorod geborenen Russen wichtig - nicht nur in der Fotografie, sondern auch in Bezug auf sein eigenes Leben. Der gelernte Mathematiker gab seinen Job als Programmierer auf, um einfache Arbeiten als Heizer, Funker, Lawinen Schutztechniker oder Pferdepfleger anzunehmen, die ihn häufig in entlegene Gegen den führten, wo er sich der Kontemplation und der Schönheit der Natur widmen konnte. Was er dort erlebte, wollte er unbedingt dokumentieren und kaufte sich eine Kamera.
Ob er damit den Nebel am Fluss Kerschenez in seiner Heimat oder die rivalisierenden Puschkin Forscher Professor Juri M. Lotmann und Valentin Nepomnjaszczi ablichtete - die Ausstrahlung, das Licht ist für den Fotografen essenziell.
Eine vollkommen andere Wirkung erzielen die Fotos, die der Wahl - Osnabrücker 2004 während der Karnevalszeit in Köln anfertigte. Fröhliche Kinder im Konfetti-Regen, ausgelassene Erwachsene in Verkleidung oder auch das ganz allein auf einer Tribüne sitzende Mädchen mit dem gewinnenden lachen: Diese Bilder sind der Spiegel purer Lebensfreude. Erst auf den zweiten Blick vermisst man die Farbe, die das bunte Karnevalstreiben in der Realität enorm prägt. Aber Lev Silber versteht die rheinische Lust am Feiern auch in Schwarzweiß -Aufnahmen zu vermitteln.
Neue Osnabrücker Zeitung vom 3. November 2006